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Reiseabenteuer in Dortmund

Zuweilen kann auch ein erfahrener Weltreisender im heimischen Dortmund noch echte Abenteuer erleben.

Auf dem Rückweg aus dem Urlaub stieg ich am Sonntag, 04. Oktober 2020, in Essen Hauptbahnhof in einen RE6 (RRX) Richtung Minden in Westfalen, um nach Dortmund Hauptbahnhof zu fahren. An dem RRX-Triebzug war irgendetwas kaputt, zumindest in meinem Wagen: Die Lautsprecherdurchsagen wurden von einem lauten und heftigen Kratschen übertönt, so dass der Inhalt der Durchsagen allenfalls zu erahnen war, zumindest dann, wenn man den Inhalt der Durchsage schon vorher kennt. Der Zug fuhr mit mehr als +10 in Essen ab. Die Ansage für den nächsten Halt in Wattenscheid klang in etwa so: „Kraaaatsch-halt-Kraatsch-scheid-Kraatsch!“. Vor der Ankunft in Dortmund konnte man noch erahnen, dass der nächste Halt in Dortmund durchgesagt wurde. Vor dem Dortmunder Hauptbahnhof, beim ehemaligen HSP-Werk, hielt der Zug eine Weile an. Eine ozeanblau-beige 218 dieselte mit einem Bauzug vorbei. Es gab eine längere Durchsage, deren Inhalt jedoch durch das Kratschen völlig unverständlich war. Dann fuhr der Zug langsam zum Bahnhof. Ich dachte, dass wir vielleicht nur den Bauzug durchgelassen hatten, aber dann stellte ich fest, dass kein Bahnsteig neben dem Zug war, weder links, noch rechts. Während ich mich noch fragte, wann endlich ein Bahnsteig auftaucht, sah ich aus dem Türfenster das große Kinogebäude am Ende des Dortmunder Bahnhofs – mein Zug ist im Dortmunder Hauptbahnhof einfach durchgefahren!

Nun gut. Irgendwann würde er ja mal wieder anhalten. Mit war nach einem langen Reisetag allerdings nicht danach, in Kamen oder Hamm zu stranden… Der Zug bremst und hält! Das Schild auf dem Bahnsteig sagt, dass es sich um den Haltepunkt Dortmund-Scharnhorst handelt. Da ich in solchen Situationen stets die erste Möglichkeit zur Kurskorrektur nutze, versuchte ich den Zug zu verlassen. Allein, die Türen gingen nicht auf. Ich rief laut „Fuck!“ – was wegen der dämpfenden Wirkung der Mund-Nasen-Maske wohl niemand gehört hat. Dann wurden die Türen endlich aktiv und ich sprang auf den Bahnsteig. Mal sehen, was in der Gegenrichtung so fährt.

In Scharnhorst führt eine Straßenbrücke über den Bahnhof. Über Treppen gelangt man auf diese Brücke und auf der anderen Seite auf den Bahnsteig der Gegenrichtung, also Richtung Dortmund Hbf. Dort angekommen, sagte der Aushangfahrplan mir, dass um 1752 ein RE3 in Richtung Düsseldorf (über Dortmund) fahren sollte. Cool. Nur eine halbe Stunde auf einem öden Bahnsteig in der herbstlichen Kühle herumstehen!

Die Anzeigetafel wies darauf hin, dass der RE3 Richtung Düsseldorf heute einen zusätzlichen Halt in Essen Zollverein Nord einlegen würde. Dieser Hinweis wurde ununterbrochen wiederholt. Bis 1750. Da wechselte die Anzeige auf „fällt heute aus“. Soper!

Ich bin also mit den anderen Gestrandeten auf die Straßenbrücke gegangen, wo sich eine Bushaltestelle befindet. In welche Richtung soll man fahren? Nach Brackel, wo es eine Stadtbahn gibt? Oder in Richtung Derne? Der Bus fährt seltsamerweise nicht über die Dortmunder Innenstadt. Ich entschied mich in Richtung Derne zu fahren, denn der Fahrplan am Haltestellenschild versprach Anschluss an die Stadtbahn in „Flughafenstraße“ oder in „Scharnhorst-Zentrum“. Während der Wartezeit erzählte mir eine Mitreisende, die nach Mengede wollte, dass der Hauptbahnhof wegen einer Bombendrohung gesperrt sei. Möglicherweise hat die Durchsage in anderen Wagen des RRX weniger gelärmt.

Der Bus kommt sonntags alle halbe Stunde, also war ich mit 12 Minuten Warten noch ganz gut bedient. Schon zwei Haltestellen später war die Flughafenstraße erreicht und die Durchsage im Bus wies auf die Möglichkeit hin, in die Stadtbahn U42 umzusteigen. Prima, Lichtblick! Die U42 ist mir ganz gut bekannt. Damit kann man nach „Stadtgarten“ fahren und in die Bahnen der Nord-Süd-Stammstrecke umsteigen, die bei mir zuhause („Markgrafenstraße“) halten. Nach zehn Minuten kam eine Bahn, was mich sehr erfreute, denn meine Blase begann ihren Füllstand lauthals bekanntzugeben.

Nach Umsteigen in „Stadtgarten“ mit kurzer Wartezeit erreichte ich deutlich später als erwartet und um einige Erfahrungen reicher mein Zuhause. Uff.

Ein Blick ins Internet verriet mir, dass die Bundespolizei sich am Dortmunder Hauptbahnhof um einen sehr verdächtigen Gegenstand kümmern musste, was für diverse Zugausfälle und haltlose Durchfahrten sorgte. Also weniger eine Bombendrohung als eine potenzielle Bombe. Uncool!